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AVWS – Symptome, Diagnose und Behandlung

Was ist AVWS?

Kommt es beim Hören zu Einschränkungen, obwohl die Ohren eigentlich gesund sind, kann eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) vorliegen. Dabei sind zentrale Prozesse des Hörens gestört. Das führt dazu, dass Laute nur eingeschränkt erkannt werden und teilweise nur schwer auseinanderzuhalten sind. Es kann darüber hinaus zu Komplikationen bei verschiedenen Handlungen kommen, die für viele Menschen ganz normal sind.

Dazu gehört das Einordnen, das Nachbilden und das Merken von allem, was sprachlich geäußert wird. Grund dafür ist eine Störung der Verarbeitung von Gehörtem zwischen dem Innenohr und dem Gehirn. Eine AVWS kommt bei älteren Erwachsenen mit einer Häufigkeit von 10-20 % vor, Kinder hingegen weisen eine Regelmäßigkeit von 2-3 % auf.

Inhaltsverzeichnis
  • Anzeichen für eine AVWS
  • Symptome einer AVWS
  • AVWS Testverfahren
  • Entstehung einer AVWS
  • Behandlung einer AVWS
  • Folgen einer AVWS
  • Kinder und AVWS in der Schule

Anzeichen für eine AVWS

Eine Schwerhörigkeit allein ist noch kein ausreichender Hinweis darauf, dass eine AVWS vorliegt. Über verschiedene Auffälligkeiten lässt sich genauer eingrenzen, ob es sich um einen klassischen Hörverlust (beispielsweise durch Lärmeinwirkung) handelt oder tatsächlich eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung vorliegt. Treten mehrere der nachfolgenden Symptome verstärkt auf, besteht ein erhärteter Verdacht und es sollte dringend ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder ein Phoniater aufgesucht werden.

Grundsätzlich wird eine AVWS über zwei Verfahrenswege festgestellt. Bei der Diagnostik kommen standardisierte Tests zum Einsatz, die eine psychometrische und audiologische Grundlage haben.

Symptome einer AVWS

So äußert sich eine auditive Wahrnehmungsstörung:

  • schlechtes Verständnis und Gedächtnis für Zahlen
  • Wortsilben können nur schwer behalten werden
  • Schwierigkeiten beim Auswendiglernen und Fremdspracherwerb
  • die Fähigkeiten entsprechen nicht dem Bildungsniveau
  • Legasthenie

AVWS Testverfahren 1 – Die Phonemdiskrimination

Bei der Phonemdiskrimination geht es darum, inwieweit die Fähigkeit gegeben ist, zwischen verschiedenen Sprachlauten (Phonem) zu unterscheiden. Um das festzustellen, wird der Heidelberger Lautdifferenzierungstest (HLAD) nach Brunner angewandt. Dabei wird anhand von Minimalpaaren erfasst, wie gut noch zwischen plosiven (z. B. p und b) und Zischlauten (z. B. s und z) unterschieden werden kann. Hier gibt es insgesamt drei Ebenen, bei denen ermittelt werden soll, inwieweit:

  • Gehörtes auseinandergehalten werden kann,
  • Gehörtes korrekt nachgesprochen werden kann,
  • Anlaute mit Konsonantenhäufungen (z. B. „spr“ bei Sprache) korrekt ausgesprochen werden.

AVWS Testverfahren 2 – Die Vokallängendiskrimination

Ob eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung vorliegt, lässt sich ebenfalls ermitteln, wenn betrachtet wird, inwieweit die Vokallängen verschiedener Wörter unterschieden werden können. Hierbei kommt der Heidelberger Vokaldifferenzierungstest (HVT), ebenfalls nach Brunner, zum Einsatz, der sich in folgende drei Untertest gliedert:

  • Hörvergleich eines Minimalpaares, bei dem nur die Länge des Vokals unterschiedlich ist (dabei finden Kunstwörter Verwendung)
  • Bestimmen der Vokallänge bei einzelnen Kunstwörtern (der direkte Vergleich entfällt dabei)
  • Kennzeichnen der Vokallänge beim Schreiben

Weitere audiologische Tests, die feststellen, ob zentrale Prozesse des Hörens gestört sind, gibt es unter anderem mit dem Tonaudiogramm oder dem Sprachverständlichkeitstest (auch Freiburger Test). Beide finden ebenfalls praktische Anwendung in verschiedenen Einrichtungen der Ohr- und Sprachheilkunde.

Was ist Psychometrie?

Bei der Psychometrie handelt es sich um ein Teilgebiet der Psychologie, das sich mit psychologischen Messverfahren zur Erhebung statistischer Daten befasst. Damit berührt die Psychometrie praktisch jeden Bereich der modernen Psychologie, die über Testverfahren und Messungen medizinische Befunde mit Daten und Werten stützt.

Entstehung einer AVWS

Wie eine AVWS entsteht, ist nicht genau bekannt. Exemplarisch einige aktuelle Ansätze:

  • Klänge werden zwar wahrgenommen, aber können nicht zugeordnet werden
  • Schwierigkeiten Verschmelzungen benachbarter Laute auseinanderhalten zu können (z. B. die Lautkombination „spr“)
  • Schwierigkeiten, sich Ton- bzw- Klangkombinationen zu merken

Diese möglichen Ursachen können sowohl einzeln, als auch überschneidend zur Entstehung einer AVWS beitragen.

Behandlung einer AVWS

In der Regel erfolgt nach der Feststellung einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung die Überweisung an einen Logopäden. AVWS gilt grundsätzlich als nicht heilbar und es gibt auch keine spezielle Therapie, die am meisten Erfolg verspricht. Sie ist aber über mehrere Therapieverfahren behandelbar. Dazu gehören z. B.:

  • Die Verwendung von Hörgeräten
  • Training der Identifikation und Unterscheidung von unterschiedlichen Lauten

Bei der Therapie, die auf logopädischem Hörtraining gründet, wird vorrangig die Phonemdiskrimination geübt. Diese gilt als Hauptsymptom einer AVWS und ist deshalb von entscheidender Wichtigkeit. Dadurch allein besteht schon eine hohe Chance darauf, dass eine Besserung eintritt. Diese wird zusätzlich noch einmal erhöht, wenn darüber hinaus ein Hörgerät verschrieben und zur Kompensierung eingesetzt wird.

Folgen einer AVWS

Die Folgen einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung können insbesondere bei einer Nicht-Behandlung drastisch ausfallen und Überschneidungen mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS und ADHS) aufweisen. Die gängigsten Folgeerscheinungen sind im Einzelnen Schwierigkeiten bei der

  • Differenzierung
  • Identifikation
  • Synthese
  • Analyse

von Phonemen bzw. Lauten. Darüber hinaus kann es zu Problemen bei der Analyse, Synthese und der Ergänzung geschriebener und gelesener Wörter und Sätze kommen. Eine Differenzialdiagnose, die zwischen ADHS und AVWS unterscheidet, ist außerdem dringend zu empfehlen, da sich die Symptome teilweise sehr ähnlich sind, beide aber klinisch nachweisbare Unterschiede aufweisen. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass eine Lärm- und Lautstärkeempfindlichkeit (Hyperakusis) auftritt. Diese Überempfindlichkeit beim Hören kann beispielsweise große Feierlichkeiten zu einer sehr anstrengenden Angelegenheit für die Betroffenen machen. Grund dafür ist der oftmals stark ausgeprägte Lautstärkepegel bei solchen Veranstaltungen. In manchen Fällen ist bereits die Türklingel zu laut, sodass selbst die einfachsten Dinge zu einem Problem werden können.

Kinder und AVWS in der Schule

Auch bei Kindern kann die auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung vorkommen. In der Regel gibt der diagnostizierende Arzt Empfehlungen, wie am besten vorzugehen ist. Dabei kommt abermals der Diagnose eine wichtige Rolle zu. Die Bereiche, die dem Arzt als medizinisch bedenklich aufgefallen sind, sollten durch gezielte Übungen gestärkt werden. Besonders wichtig ist, dass mit dem Kind zusammen Bewältigungsstrategien erarbeitet werden, die den alltäglichen Umgang mit AVWS erleichtern. Damit die Behandlung möglichst zielführend verläuft, sollte der Therapeut dem Kind regelmäßig täglich durchzuführende Lernaufgaben für zu Hause mitgeben.

Besonders im Schulunterricht benötigen Kinder mit einer AVWS eine gute Vorbereitung, wie damit am besten im Schulalltag umgegangen werden kann. Um sicherzugehen, sollten zu Beginn jedes Schuljahres die Lehrer des betroffenen Kindes über die AVWS informiert werden. Wichtige Themen dabei sind:

  • die Sitzposition des Kindes
  • Möglichkeiten zur Verbesserung der Raumakustik im Klassenzimmer (betrifft alle Schüler)
  • ob eine gezielte Förderung wegen einer Lese- und Rechtschreibschwäche notwendig wird

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